„ Eine raffinierte Protestform über die Bravheit der Sprache.“
Der zwölfte Vortrag unserer Vorlesungsreihe von Frau Prof. Dr. Renata Makarska am 24. Januar 2017 beschäftigte sich mit dem Sprachwechsel verschiedener Autoren. Zu Beginn sprach Frau Prof. Dr. Makarska über die Vielsprachigkeit der Literatur, über die Mischsprachigkeit und über die literarische Multilingualität in hybriden Texten (wobei sie den Begriff der textuellen Mehrsprachigkeit bevorzugt). Zudem sprach sie neben der textuellen Mehrsprachigkeit auch über das heterolinguale Schreiben. Zu früheren Zeiten war es das Ziel eine „reine Sprache“ beizubehalten und „Makkaronismen“ zu vermeiden, die zum Verderben der Sprache führen, wie beispielsweise lateinische Wörter in einem polnischen Text. Die Funktion der Makkaronismen war zu dem Zeitpunkt noch nicht von großer Bedeutung. Erst später wurde anderen Autoren klar, dass diese z.B. die Funktion einer Sprachkritik haben können. Stefania Skwarczynska, eine polnische Historikerin der Literatur, schrieb einen Aufsatz über Makkaronismen und verteidigte diese. Sie nannte sie „eine raffinierte Protestform über die Bravheit der Sprache“.
Frau Prof. Dr. Makarska erläuterte drei Formen textueller Mehrsprachigkeit: die Parallelität der Sprache, das heißt jeder Leser würde diese verstehen, die hybride Sprache, bei welcher man versuchte die Fremdsprache in ihrer Aussprache nachzumachen und die Mündlichkeit und Schriftlichkeit.
Zu diesen drei Beispielen stellte Frau Prof. Dr. Makarska fünf verschiedene Autoren vor, an deren literarischen Texten, sie die bereits vorgestellten Formen verdeutlichte. Der erste war Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki, der aus einer polnisch-ukrainischen Familie stammte. Er veröffentlichte zwei Bücher, die aber nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Seine Texte enthielten Wörter wie z.B. „bziuszki“, was Kirschen bedeutet. Prof. Makarska äußerte eine Vermutung, was dieses Wort zu bedeuten hatte, da sie es aus dem Polnischen heraus versuchte zu übersetzen. Ihre Vermutung war das Wort „Küsschen“. Somit wird der Leser hier herausgefordert, da der Autor Begrifflichkeiten benutzt, die aus dem Ukrainischen stammen, aber in einem polnischen Schriftbild verschriftlicht werden.
Das zweite Beispiel wurde an Texten von Radek Fridrich verdeutlicht. Dieser Autor reist durch Deutschland und schreibt die Biographien von Deutschen auf. Er schreibt im Namen der Verstorbenen, auch in ihrer eigenen Sprache wie z.B. Tschechisch. Er schreibt in der Sprache der vergessenen Autoren, um die „Sprache in ihrem Heimatland zu archivieren“.
Der dritte Autor ist Jan Vrak, welcher seinen Leser zuerst durch Fußnoten „verwöhnt“, d.h. zu Anfang seiner Texte dem Leser erklärt, was ein bestimmtes Wort zu bedeuten hat. Mit der Zeit reduziert er aber die Fußnoten und fordert den Leser heraus. Er schreibt auf Tschechisch, Polnisch und Deutsch, wobei er mit diesen drei verschiedenen Sprachen spielt und es auch keine Rolle spielt ob diese grammatikalisch richtig geschrieben sind. Somit gehört er zu der Form der hybriden Sprache.
Szczepan Twardoch ist das vierte Beispiel. Er schreibt auf Polnisch und Schlesisch. Twardoch wirft seine LeserInnen ins kalte Wasser, da sie mit orthografischen Schwierigkeiten konfrontiert werden und sich mit dem Verständnis des Textes selber auseinandersetzen müssen. In einem Brief an seine Eltern schreibt Szczepan Twardoch beispielsweise kein korrektes Schlesisch, sondern eine mündliche Form des Schlesischen. Er beendet den Brief allerdings anschließend wieder in korrektem Polnisch. Somit kann man sagen, dass dieses die dritte Form der textuellen Mehrsprachigkeit darstellt, wobei hier das Mündliche überwiegt. Da im Jahre 2005 das Gesetz über nationale Minderheiten entstand und Schlesisch im Gegensatz zu Kaschubisch nicht als Regionalsprache anerkannt wurde, zeigt Twardoch, welche Möglichkeiten das Schlesische hat.
Das letzte Beispiel sind der Autor Jaroslav Rudis und der Comiczeichner Jaromír Švejdík (als Jaromir 99) und deren Graphic Novel Alois Nebel, die aus einer Mischung aus Russisch, Polnisch und Tschechisch entstand.
Zum Schluss ihres Vortrages warf Frau Prof. Dr. Makarska Fragen wie „Was passiert bei der Übersetzung ins Deutsche?“ und „Einbürgern oder Verfremden?“ auf, mit welchen sich auch die transnationalen WissenschaftlerInnen beschäftigen. Klaus Reichert ist der Meinung, dass es eine politische Entscheidung sei, wobei Norbert Mecklenburg sagt, es sei eine „Form der Gewalt“, da der Ursprungstext somit seine Originalität verliert.
AutorIn: Julia Swiatkowska