Die Multilingualität der Literatur aus Zentraleuropa

„Einfaches Übersetzen reicht nicht aus, man muss etwas Neues erfinden.“

In der zwölften Ringvorlesung im Rahmen des Go East – Go West! Projektes, durften wir Frau Prof. Dr. Renata Makarska von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz bei uns begrüßen. Das Thema der Vorlesung war „Mulitilingualität der Literatur aus Zentraleuropa“. Zu Beginn wurden die geschichtlichen Hintergründe von Barbarismen erläutert, wobei Prof. Makarska darauf hinwies, dass Mehrsprachigkeit in der Literatur in der Geschichte nicht immer beliebt war. Ganz im Gegenteil: Barbarismen wurden ungern verwendet und es war lange tabu, Fremdwörter in einem literarischen Text zu benutzen. Die Mehrsprachigkeit wurde als Sprachverderb gesehen. Man kümmerte sich um die Reinheit der Sprache. Makkaronismen, von denen Frau Makarska sprach, haben viele Funktionen. Sie interpretieren, unterhalten, schaffen etwas Neues und verleihen dem Leser ein Fremdheitsgefühl und dem Text Exotik. Sie lexikalisieren Formen und sprachliche Mechanismen. Eine sehr beliebte Form der Verwendung von Makkaronismen im Polnischen war, lateinische Worte in einen polnischen Text einzubauen. Ein solcher Text galt als besonders schön. Heutzutage werden Barbarismen anders benutzt und die Verwendung von mehreren Sprachen gleichzeitig ist erlaubt. In diesem Falle spricht man von einer sogenannten Mischsprachigkeit.

Frau Prof. Dr. Makarska stellte uns die aktuelle textuelle Mehrsprachigkeit am Beispiel der polnischen und tschechischen Literatur vor. Es wurden Texte von Eugeniusz Tkaczyszyn- Dycki, Radek Fridrich, Jan Vrak sowie Szczepan Twardoch behandelt. Durch die Visualisierung der Beispiele wurden vier Formen der textuellen Mehrsprachigkeit vorgestellt:

  1. Es werden Zitate aus einer Fremdsprache in den Text eingebaut. Beispiel: Tkaczyszyn-Dycki aus Kochanka Norwida: „Zamiast idź mówiła idy […], Zamiast bierz mówiła bery […].“
  2. Die Verwendung mehrerer Ausdrücke in verschiedenen Sprachen (Parallelität der Sprachen). Beispiel: Jan Vrak in Obyčejné vĕci „Kochana čioča Pauli umierala, meine Liebe Tante stirbt, milovaná teta Pauli umirá.“
  3. Die Kategorie der hybriden Sprachen, den sogenannten Mischsprachen. Beispiel: Radek Fridrich aus Nébožky: „E hospotĕ Zum grünen Paum / sou pot prkennou potlahu uschovány […].“
  4. Die Verschriftlichung der Mündlichkeit. Beispiel: Redliński „-Helou! Głos Profesora. Pauza. -Nou, hi uent tu Manhattan. -Pauza. -Aj dont nou. -Pauza. -Baj. […].“ Hierbei handelt es sich um die englische Sprache, die auf Polnisch verschriftlicht wurde.

Im Schlussteil der Vorlesung wurde die Problematik des Übersetzens solcher Texte behandelt. Die Hauptfragestellung dabei lautete, wie man Barbarismen in eine andere Sprache übersetzen kann. Es ist eine äußerst schwierige Aufgabe, den Stil und die Bedeutung des Originals in eine andere Sprache zu übertragen. Am Beispiel von Szczepan Twardochs Drach hat Prof. Makarska die Problematik erläutert. Sie machte den Zuhörern klar, dass nicht nur das Übertragen der Worte die Lösung sei, sondern eher die Verfremdung oder die Einbürgerung der richtige Weg sei. Der Übersetzer Herr Dr. Olaf Kühl hat, laut Prof. Makarska, bei der Übersetzung des Buches von Twardoch, der sehr viele Makkaronismen verwendet, keine leichte Aufgabe gehabt. Im Roman gibt es viele Stellen, die im Oberschlesischen geschrieben sind. Aber wie übersetzt man diese auf Deutsch, ohne dass Sinn oder Stil des Textes verloren gehen? Dr. Olaf Kühl löste das Problem indem er das Oberschlesische durch das Niederschlesische ersetzte.

Im Anschluss an die Vorlesung gab es noch eine kurze Diskussionsrunde und im Schlusswort fasste Prof. Dr. Renata Makarska zusammen: „Bei der Übersetzung von Barbarismen reicht ein einfaches Übersetzen nicht aus, man muss etwas Neues erfinden“.

Autorin: Monika Alicja Sonta