Publizistin, Schriftstellerin, Übersetzerin und Kulturmanagerin – dies sind einige Berufe, die Dorota Danielewicz in ihrem Lebenslauf stehen hat. Sie studierte Slavistik, Ethnologie und osteuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit 1988 arbeitet sie mit vielen Kulturinstitutionen zusammen, ein Jahr zuvor war sie bei den Vereinten Nationen in New York beschäftigt. Seit Jahren organisiert Dorota Danielewicz Treffen mit polnischen Autor:innen in Deutschland und deutschen Autor:innen in Polen, u.a. im Literarischen Colloquium Berlin, Literaturforum im Brecht Haus, Künstlerhaus Wiepersdorf. Über 10 Jahre lang (bis zur Schließung im Jahr 2009) war sie Berlin-Korrespondentin der polnischen Abteilung des Radiosenders RFI in Paris. Von 1997 bis 2012 arbeitete sie mit dem RBB-Radio zusammen und neben ihrer Redaktionstätigkeit moderierte sie dort das monatliche Literaturmagazin. Jetzt ist sie als freiberufliche Autorin und Publizistin tätig, aktuell führt sie Interviews mit deutschen und polnischen Autor:innen, zuletzt mit der internationalen Bestsellerautorin Mariana Leky und Joanna Bator. Sie interviewte außerdem die Nobelpreisträger:innen Czesław Miłosz, Olga Tokarczuk, Hertha Müller, Adam Zagajewski und Günther Grass. Sie ist Kuratorin des deutsch-polnischen Literaturforums UNRAST-Berlin (veranstaltet von der Berliner Literarischen Aktion). Für ihr neuestes Buch Jans Weg (Wydawnictwo Literackie) wurde sie von dem Magazin „Wysokie Obcasy“ zu einer der 12 Superheldinnen Polens 2020 gewählt. Dorota Danielewicz ist Mutter eines unheilbar kranken Sohnes, sie musste immer ihre berufliche Laufbahn mit den besonderen Anforderungen der Sorge um ein schwer erkranktes Kind vereinbaren. Das Buch Jans Weg behandelt u.a. diese Thematik. Sie übersetzt polnische und deutsche Gedichte (u.a. Adam Zagajewski, Monika Rinck, Jan Wagner).
Wie sind Sie auf das Studienfach Slavistik gekommen?
Vielleicht war das nicht so richtig bewusst gewählt. Als ich mein Abitur gemacht habe, bin ich mir ziemlich unsicher gewesen was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Das waren auch andere Zeiten als heute. Deutschland war geteilt, ich wohnte in West-Berlin. Ich habe in der Schule immer gerne Literatur gehabt und habe in Deutschland Polnisch sehr vermisst. Ich wollte eigentlich eine Art Brücke zwischen Ost und West sein. Man muss dann nicht unbedingt Slavistik studieren, aber für mich war das die beste Lösung. Schon während der Studienzeit habe ich die erste, große Veranstaltung im LCB auf die Beine gebracht, das war 1989 – Woche der polnischen Literatur. Es gab damals keine E-Mails, keine Handys und es war unglaublich schwer, all die Autoren zu erreichen, ihre Bücher zu finden. Wenn ich heute daran denke, muss ich lachen, wie leicht man heute es heute hat! Diese Veranstaltung eröffnete Ryszard Krynicki, dabei war Tadeusz Konwicki, Agnieszka Osiecka, Janusz Głowacki, Paweł Huelle, Hanna Krall, Janusz Anderman. Und alle zusammen eine Woche lang in einem Haus am Wannsee! Ein unglaubliches Ereignis, welches von Ullrich Janetzki, dem damaligen Leiter vom LCB ermöglicht wurde. Ich war gerade 25 Jahre alt. Ulli hat mich in die Welt des Kulturmanagements eingeführt.
Sie sind nach Berlin gekommen als Sie 16 Jahre alt waren. Wie haben Sie damals die Konfrontation mit der deutschen Sprache und Kultur wahrgenommen?
Diese Erfahrung habe ich in dem Buch Auf der Suche nach der Seele Berlins beschrieben. Es war für mich sehr schwer hier Fuß zu fassen, weil ich keine Vorgeschichte mit Deutschland oder in der deutschen Sprache hatte. Meine Familie hatte Verwandte in London und in Polen habe ich deshalb intensiv Englisch gelernt. Ich war sehr in Richtung England oder Amerika orientiert. Deutschland hingegen war für mich etwas ganz Fremdes. Und West-Berlin war ein weißer Fleck auf den polnischen Landkarten, man wusste absolut nichts über dieser Stadt. Es dauerte sehr lange, bis ich mich in Berlin wohl gefühlt habe. Die deutsche Kultur habe ich zuerst nicht über Bücher kennengelernt – das ist nicht möglich, wenn man die Sprache nicht richtig beherrscht – sondern über die Musik. Der Vater meines ersten Freundes in Berlin war Cheftonmeisterin SFB und bei ihm zu Hause gab es oft Konzerte, man ging in die Philharmonie, auch im Großen Sendesaal des SFBs gab es Möglichkeiten, Konzerte zu hören. Seitdem ist Berlin für mich eine Stadt der Musik. Die erste Deutscharbeit in der Schule sollte ich über einen Text von Kurt Tucholski schreiben. Ich weiß noch genau, dass ich es gut verstanden habe, jedoch nicht imstande war, eine Arbeit dazu zu verfassen. Ein Jahr später haben wir Baal von Brecht durchgenommen, schon auf einer anderen Schule, mit einem großartigen Deutschlehrer. Und ich habe, trotz all der Fehler eine zwei bekommen, auf die ich bis heute stolz bin! Und ich habe „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers gelesen. Das waren die ersten, zögerlichen Annährungen an die deutsche Literatur.
Sie haben Ihre Bücher zuerst auf Polnisch veröffentlicht. Wie war der Prozess, von Deutschland aus zu publizieren?
Es war leicht für mich, weil ich immer sage, dass im Leben nichts erzwungen werden kann. Das Buch über Berlin entstand zum Beispiel aus der Initiative einer Freundin, Agnieszka Drotkiewicz, die eine Schriftstellerin aus Warschau ist und in Berlin ein Stipendium hatte. Ich bin mit ihr immer durch Berlin spazieren gegangen und habe viele Geschichten erzählt, die ich in Berlin erlebt habe. Und sie sagte, dass ich darüber ein Buch schreiben soll. Sie hat sich mit einem Verlag in Warschau in Verbindung gesetzt. Mit diesem Verlag habe ich bereits als Journalistin zu tun gehabt und habe oft um Rezensionsexemplare für mein Literaturmagazin gebeten. Der Verlag hat sofort zugesagt und mir einen Vertrag zugeschickt. Ich finde, dass es sich nicht lohnt sich im Leben zu sehr unter Druck zu setzen. Wenn man im Fluss ist und dann das Richtige geschehen soll, dann geschieht es auch ohne Stress. Genau so war das bei mir mit diesem Buch. Ich muss ein bisschen den Sinn spüren, für mich ist es sehr schwer nur für die Schublade zu schreiben. Ich brauche mindesten ein bis zwei Menschen, die auf meine Texte warten.
Können Sie sich vorstellen, dass Sie in der Zukunft ausschließlich als Schriftstellerin agieren? Haben Sie konkrete Pläne?
Ich mache nie Pläne. Das entspricht nicht meine Lebensart. „Leben ist das was passiert, während du andere Pläne machst“ Ich denke, dass zutrifft, was dieser schöne Spruch besagt. Ich habe Ideen für viele Bücher. Einige sind schon angefangen, andere werden erst noch geschrieben. Aber wie gesagt, das Leben ist so vielfältig und interessant, dass ich zwischendurch gerne auch andere Dinge tue, zum Beispiel ich produziere Audioguides und übersetze Gedichte, spontan, wenn sie mich ansprechen. Oder organisiere kulturelle Veranstaltungen. Und man muss auch von etwas Leben. Als Schriftsteller:in muss man richtig hart vorarbeiten, bis man von den Büchern überhaupt leben kann. Aber sicher ist: es gibt für mich kein Leben ohne Schreiben.
Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf von Kulturveranstaltungen (auf Grund der Pandemie) ein?
Schnelltests wären schon eine Lösung. Ich finde, dass es nicht gut ist, wenn wir uns alle zu Hause einsperren und wir uns nicht mehr begegnen können. Das ist kein Leben. Für mich ist es sehr schwer alles nur online zu machen. Aber es ist gut, dass man streamen kann. Die Erfahrung zeigt, dass man durch online -Veranstaltungen wirklich sehr viel mehr Menschen erreichen kann als nur live. Leider musste unser Literaturforum vom Januar auf November verschoben werden. Es ist technisch sehr schwer, Veranstaltungen zu managen, wenn jeder der Teilnehmer in einem anderen Land ist. Ich bin ein großer Fan von persönlichen Begegnungen, denn in den Pausen passiert das meiste – erst da entstehen Kontakte, wichtige Informationen werden getauscht, persönliche Sympathien entdeckt.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Planung von Kulturveranstaltungen, abgesehen von einer globalen Pandemie?
Die Idee zu finden, was und in welcher Form man machen möchte. Bei Veranstaltungen ist es wichtig einer Thematik zu folgen. Es ist genauso wie ein Tänzer, der auf die Bühne kommt und ganz großartig tanzen kann, aber dahinter stehen Stunden von Training. Es ist genauso mit solchen Plänen. Es sind nicht nur ein paar Stunden, an denen man sich hinsetzt, und irgendeinen Entwurf macht, sondern es sind Jahre des Lesens und Verfolgens bestimmter Themenbereiche. Sodass man eine Idee bekommt was zueinander passt und welche Themen relevant sein könnten.
Was kann man Leuten auf den Weg geben, wenn sie sich entscheiden in den Bereich Kulturmanagement zu gehen?
Anträge zu stellen und Abrechnungen zu machen. Das muss auf jeden Fall gelernt werden. Zuverlässigkeit, persönliche Kontakte und immer wieder Freude an der Sache sind auch ganz wichtig.
Sie waren einmal in der Jury für den Kapuścinski Preis. Wie sind Sie in die Jury gekommen?
Ich bin einfach auf Grund meines Werks gewählt geworden. Und weil die Jury immer eine polnischsprachige Personen, die im Ausland wohnen und einen Blick von außen mitbringen, haben möchte.
Sie haben gesagt, dass Sie keine Pläne machen. Dennoch haben Sie bestimmt berufliche Pläne für das Jahr 2021, oder?
Vor allem sollte das Jahr mit dem Literaturforum UNRAST Berlin anfangen – das ist nun verschoben und wir alle, die Autoren, der Veranstalter Martin Jankowski, meine Kollegin Ewa Wanat und ich waren schon in den Startlöchern, als der Lockdown kam. Ich schreibe eine Erzählung, habe eine andere übersetzt – Tanja Langers „Singvogel, rückwärts“, der bald in der polnischen Fassung im Bübül Verlag erschienen wird. Ich produzierte drei große Audioguides, kümmere mich um den weiteren Weg meines Buches „Jans Weg“, mache Interviews, bin in die Arbeit des Frauenstreiks in Polen involviert. Ab und zu übersetze ich auch Gedichte. Die Zeit vergeht schnell, ich bin froh, etwas Entspannung bei der Gartenarbeit zu finden und bei den Treffen mit meinen Söhnen.
Welche Ihrer vielseitigen Aufgaben bereitet Ihnen am meisten Freude?
Schreiben, wenn es gut läuft, ist unglaublich schön. Es gibt Autor:innen, die danach fix und fertig sind. Für mich ist es keine Qual. Obwohl es im Buch Jans Weg um schwierige Thematiken geht, ist es trotzdem immer ein sehr freudiger Prozess für mich. Ich könnte immer Wörter und Sätze finden für die Umstände, die ich beschreiben wollte. Und das hat mich glücklich gemacht. Ich bin auch sehr gerne im Studio und arbeite mit meiner Stimme. An vielen historischen Orten in Berlin und Polen führe ich durch Museen mit der Audioguidestimme. Ich würde sehr gerne meine Bücher als Hörbuch einsprechen. Das ist leider noch nicht passiert, aber das wäre ein Wunsch von mir. Eigentlich tue ich grundsätzlich nichts, was mir keine Freude bereitet – ein gutes Interview ist immer zugleich eine wunderbare menschliche Begegnung, wenn eine Übersetzung glückt, fühle ich mich beschenkt. Die Zeit des Wartens auf Inspiration kann allerdings frustrierend sein, vor allem, wenn ich mich selbst unter Druck setze, dass jetzt unbedingt etwas geschehen soll und nichts passiert. Dann ist es wunderbar, wenigstens ein Gedicht zu übersetzen!
Text: Volha Novik
Redaktion: Franziska Günther