Der Beruf des/der Verlagslektors*in gehört zu den klassischen Berufen, den Studierende eines philologischen Studiums nach ihrem Abschluss ergreifen möchten. Der Weg dorthin kann jedoch unterschiedlich verlaufen. Neben einem Studium mit literaturwissenschaftlichem Bezug kann man auch durch eine Ausbildung zum Buchhändler*in oder zum Medienkaufmann/-frau Digital und Print seinem Ziel näherkommen. Viele Verlage – vor allem Publikumsverlage – bieten auch Volontariate an, in denen man von Beginn an in die Abläufe eines Verlags eingebunden wird und auf diese Weise den Beruf näher kennen- vor allem aber erlernt. Es gibt für diesen zwar klassischen Beruf also nicht nur den einen klassischen Weg, sondern viele unterschiedliche, was uns auch Sarah Houtermans bestätigen kann.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Berufsfelder für OsteuropaexpertInnen“, welche Studierenden der Fächer Slavistik und Osteuropastudien einen tieferen Einblick in unterschiedliche berufliche Werdegänge ermöglicht, fand in der Sitzung vom 09.02.2021 ein Interview mit der Verlagslektorin Sarah Houtermans statt. Houtermans selbst ist nicht den klassischen Weg gegangen, sondern hat zunächst Osteuropastudien studiert und, aufgrund ihrer Liebe zur Literatur, gelegentlich literaturwissenschaftliche Seminare in der Slavistik besucht. Als ihre Slavine wählte sie Tschechisch, was ihr ermöglichte für eine Lektorin beim Suhrkamp Verlag Gutachten zu schreiben. Als Houtermans von dieser Lektorin erfahren hatte, dass der Suhrkamp Verlag Volontariate anbot, bewarb sie sich, wurde genommen und stellte schon relativ früh fest, dass sie diesen Beruf gerne ausüben möchte. Daraufhin arbeitete sie lange Zeit als Lektorin für Internationale Literatur beim Hoffmann und Campe Verlag und ist seit Februar 2021 Lektorin in demselben Bereich beim Rowohlt Verlag.
In ihrer jahrelangen Tätigkeit als Lektorin beschreibt Houtermans die Verlagsbranche als eher klein, da viele Lektor*innen sich untereinander kennen, weshalb sie das Knüpfen von Kontakten während Praktika oder Volontariaten als sehr empfehlenswert erachtet. Als Grundvoraussetzungen nennt sie jedoch allem voran die Liebe zur Literatur und die Freude am Formulieren von Texten, da viele der Texte für Umschläge, Werbungen oder Vorschauen aus dem Lektorat kommen. Was Sprachkenntnisse angeht, so sagt Houtermans, dass diese von Vorteil sein können, jedoch keineswegs vorausgesetzt würden. Letztendlich kommt es darauf an in welchem Bereich man als Lektor*in arbeiten möchte. Befasst man sich ausschließlich mit Neuerer deutscher Literatur, so muss man keine Fremdsprachenkenntnisse mitbringen. In anderen Bereichen reicht es, wenn man Englisch beherrscht. Houtermans beteuert jedoch auch, dass in großen Publikumsverlagen immer noch recht viel übersetzt wird, weshalb bestimmte Sprachen das Interesse der Verlage wecken könnten. Fließend beherrschen muss man die Sprache aber nicht, wobei es von Vorteil wäre, wenn man sich dafür zumindest etwas in der entsprechenden Literaturszene auskennen würde.
Über den Berufsalltag eines/einer Lektors*in sagt Houtermans, dass dieser sich anders gestaltet als sich die meisten Menschen vielleicht vorstellen, denn dieser bestünde nicht nur aus dem Lesen und Lektorieren von Manuskripten – dies geschieht eher nach der Arbeit. Da Verlage immer auch Unternehmen sind, erwarten einen viele bürokratische Aufgaben. Hat ein Manuskript jedoch erst einmal überzeugt, beginnt – wie Houtermans es nennt – die „Lobbyarbeit“. Denn nun heißt es den Verlag (Marketing, Verleger*in, usw.) ebenfalls davon zu überzeugen das Buch zu verlegen. Ist dies geschafft, muss der Vertrag erstellt werden, sodass die Arbeit mit dem/der Autor*in an dessen Manuskript beginnen kann. Darauf folgen die Herstellung, erneute Korrekturen als auch Arbeit mit dem/der Autor*in, Gespräche mit der Presseabteilung und anschließend die Präsentation des Buches vor den Verlagsvertreter*innen, damit diese wiederum das Buch an die Buchhändler*innen bringen können. Dabei sollte man keine Abneigung gegenüber Zahlen haben, da jedes Buchprojekt kalkuliert werden muss. Houtermans beteuert jedoch auch, dass man bei diesem Prozess von anderen Abteilungen Hilfe bekommt. Es lässt sich somit festhalten, dass der Berufsalltag abwechslungsreich, aber auch zyklisch gestaltet ist. So haben auch Buchmessen oder Verlagsprogramme großen Einfluss auf diesen, da für diese weit im Voraus geplant werden muss.
Neben den eben aufgelisteten physischen Tätigkeiten muss sich ein/eine Lektor*in auch kritisch hinterfragen können, sich immer wieder mit der Frage befassen, was gerade bei der Leserschaft gefragt ist und dementsprechend den Erfolg eines Buches ausmachen könnte. Je nach Autor*in kann es auch vorkommen, dass in gewisser Weise psychologische Arbeit geleistet werden muss, da man für die Autor*innen immerzu da sein muss. Aus einer solch intensiven Zusammenarbeit können daher auch Freundschaften entstehen, die über Jahre hinweg halten.
Natürlich gibt es auch unangenehme Lektorate, in denen die Zusammenarbeit zwischen Lektor*in und Autor*in sich schwierig gestaltet, sodass letztendlich ein anderer/eine andere Lektor*in übernehmen muss. Auch kann es passieren, dass sich der/die Autor*in nach Veröffentlichung des Buches einen anderen Verlag sucht. Solche Fälle findet Houtermans zwar schade, doch sagt sie auch, dass neue Buchprojekte nicht ausbleiben.
Ähnlich wie in anderen Berufen, empfiehlt auch Houtermans angehenden Lektor*innen, ein Praktikum oder Volontariat zu absolvieren, um sich selbst ein Bild von dem Beruf machen zu können. Hierbei merkt sie an, dass man ruhig selbst die Initiative ergreifen und auch bei Verlagen nach freien Stellen anfragen kann, wenn keine Ausschreibungen zu finden sind. Über den darauffolgenden Bewerbungsprozess sagt sie, dass man sich auf das Gespräch gut vorbereiten sollte, vor allem was das Verlagsprogramm angeht. Auch ist es wichtig sich erst einmal zu überlegen mit welcher Art von Verlag man sich überhaupt identifizieren kann. Dabei kann es gut sein, dass einige größere Verlage in dem gewünschten Bereich keine Volontariate vergeben, dafür aber kleinere. Häufig sind es auch diese, die sich z.B. für das Übersetzen kleinerer Sprachen engagieren, da sie nicht so stark unter dem Druck stehen, einen Verkaufserfolg nach dem anderen zu erzielen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Beruf Lektor*in weit über das Lesen und Lektorieren hinausgeht und der Weg dorthin auf unterschiedliche Weise erfolgen kann. Wichtig ist dabei, eine gewisse Affinität für Literatur mitzubringen. Gleichzeitig sollte man sich dessen bewusst sein, dass diese Arbeit viel Reflexion von einem erwartet und man außerdem dazu in der Lage sein muss, den Autor*innen möglichen mentalen Beistand leisten zu können. Und diejenigen, die vielleicht befürchten, dass ihnen durch das Lesen zahlreicher Manuskripte das Vergnügen an der Tätigkeit selbst verloren geht, kann Houtermans versichern, dass sie auch nach all den Jahren als Lektorin immer noch gerne für sich selbst liest.
Text: Julia Wrono
Redaktion: Janik Alavanja