„Man muss brennen für Journalismus“
Im zweiten Gespräch der digitalen Veranstaltungsreihe „Berufsfelder für OsteuropaexpertInnen“ bekamen die Studierenden tiefe und interessante Einblicke in den Berufsalltag einer Chefredakteurin, sowie nützliche Informationen zu Fähigkeiten, die JournalistInnen mitbringen sollten.
Tamina Kutscher erkannte bereits in der Schule ihre Lust am Schreiben und an Sprachen. Damals sammelte sie erste Erfahrungen bei einem Praktikum im Augsburger Weltbild-Verlag, sowie während einer Hospitanz bei der Augsburger Allgemeinen. Dabei betont sie die Wichtigkeit der Freude am Recherchieren und der Kommunikation. Denn die Lust am Schreiben allein reiche nicht aus. Wer im Journalismus tätig sein möchte sollte eine wichtige Grundvoraussetzung mitbringen: die Neugier. Im journalistischen Bereich ist es wichtig, immer neugierig auf neue Themengebiete und verschiedene Menschen zu sein; oder wie sie es ausdrückt: „Man muss brennen für Journalismus.“ Ein Journalistik-Studium ist keine Garantie in diesem Bereich zu Arbeiten. Wichtig ist vielmehr praktische Erfahrung, an die sich klassischer Weise ein Volontariat oder der Besuch einer Journalistenschule anschließt.
Ferner sollte man sich frei machen von den romantischen Vorstellungen, die manch einem in Zusammenhang mit einem journalistischen Beruf in den Sinn kommen, wie zum Beispiel häufiges Reisen in ferne Länder oder nur über spannende Themen zu berichten. Es ist schwierig im Journalismus dauerhaft Fuß zu fassen, unter anderem weil viele Verlage sparen müssen und die Branche generell einen Wandel durchlebt. „Jeder ist bereit für seine Biogurke fünf Euro zu zahlen aber beim Konsum von Informationen haben viele LeserInnen nicht das Bewusstsein, dass das eben auch etwas kostet.“
„Generell erwartet jede Redaktion, dass sie ein sehr breites Allgemeinwissen haben, die Spezialisierung ist da erstmal nebensächlich.“
Gerade deshalb sind bestimmte Fähigkeiten von Vorteil: Während des praktischen Alltags lernt man, so Tamina Kutscher, Genauigkeit und analytischen Fähigkeiten. Gemeint sind damit zum Beispiel das richtige Schreiben von Namen der Interviewten oder die Fähigkeit ein sehr langes Interview kurz und knackig mit den wichtigsten Informationen wiederzugegeben. Doch nicht nur ein gutes Gespür für Themen und Geschichten, sondern auch ein gewisses Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen sind essentielle Voraussetzungen für die Tätigkeit im Journalismus. Ein Alleinstellungsmerkmal, wie etwa Osteuropa-Kompetenz, ist ein Vorteil, gleichzeitig jedoch ist ein breites Allgemeinwissen gefragt, da Journalisten und Journalistinnen häufig ein breites Spektrum an Themen abdecken müssen. Wer also für den Journalismus brennt, dem empfiehlt Tamina Kutscher erste Erfahrungen in lokalen Zeitungen zu sammeln, zu hospitieren und zu netzwerken. Man sollte ebenso flexibel bleiben und sich zutrauen, auch mal andere und neue Aufgaben zu übernehmen.
In ihrer Arbeit als Chefredakteurin übernimmt sie ebenfalls verschiedene Aufgaben. Sie entscheidet darüber, welche Artikel sie zu welchem Zeitpunkt veröffentlichen möchte. Darüber hinaus arbeitet sie vermehrt mit Förderern zusammen und muss sich ebenso mit dem Schreiben von Anträgen auseinandersetzen. Doch auch angenehme Veranstaltungen und interessante Diskussionen gehören zu ihrem Berufsalltag, welcher somit sehr vielfältig und abwechslungsreich gestaltet ist.
Dabei, so erzählt Tamina Kutscher weiter, hängt es immer davon ab für welches Medium man arbeitet: die Arbeitsweisen bei Print, Online, Radio oder Fernsehen unterscheiden sich.
Auf die Frage, was im 21. Jahrhundert wichtig ist für JournalistInnen, antwortet Frau Kutscher: „Kein einziger Journalist kommt noch drum herum sich mit Social Media auseinander zu setzen.“ Denn hier sammeln sich tagesaktuelle Informationen, die einen selbst immer auf den neusten Stand bringen. Zudem bringen die sozialen Medien neue Arbeitsfelder für JournalistInnen mit sich: immer gefragter werden sogenannte Daten-JournalistInnen, die sich mit Codierprogrammen auskennen und Social Media RedakteurInnen, die die sozialen Kanäle pflegen.
Auch dekoder ist eine Onlineplattform, die für Tamina Kutscher besonders interessant ist, da sie eine Schnittstelle zwischen Journalismus und Wissenschaft bildet. Durch Empfehlung und persönliche Kontakte hat es sich ergeben, dass sie den Job als Chefredakteurin bekam. Besonders schön findet sie es, sich wieder intensiver mit Russland zu beschäftigen und den Kontakt zu KollegInnen in Russland zu pflegen. Und wie bereits erwähnt, ist das vielfältige Aufgabenfeld eine Bereicherung für sie. Erfolg ist für sie persönlich immer noch im Journalismus tätig zu sein und dabei interessante Menschen kennenzulernen, sowie über spannende Themen berichten zu können.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass JournalistIn ein spannender und toller Beruf ist. Doch es ist sehr schwierig hier Fuß zu fassen, auch, weil es immer weniger feste Stellen gibt. Dazu braucht es ein gewisses Durchhaltevermögen und Brennen. Die Medienstruktur lässt dabei nicht immer viel Platz für osteuropäische Themen. Diesen Platz bietet ein Nischenmedium, wie etwa dekoder. Je nach aktueller Relevanz steigt das öffentliche Interesse an Osteuropa. Das zeigte sich besonders anhand der politischen Situation in Belarus und derzeit auch an Russland.
„Journalismus ist unheimlich wichtig, weil unser Bild von der Welt durch Medien entsteht, durch den Journalismus, den wir konsumieren und kreieren.“
Text: Celine Papendorf, EmmaNeuhaus
Redaktion: Franziska Günther
Kontakt:
Karolina Kamińska (karolina.kaminska@uni-hamburg.de),
Alexander Szydlowski (alexander.szydlowski@studium-uni-hamburg.de)