„Das Übersetzen mehrsprachiger Texte stellt eine große Herausforderung dar. Hier ist es besonders schwer, eine gelungene Übersetzung zu finden.“
In der vorletzten Sitzung unserer Ringvorlesung erhielten wir von der Gastprofessorin Renata Makarska einen interessanten Einblick in die Multilingualität in der Literatur aus Zentraleuropa. Sie stellte uns Texte polnischer/tschechischer Autoren vor, die in ihrem Heimatland Werke in ihrer Herkunftssprache verfassen. Schwerpunkt dieses Vortrags war die textuelle Mehrsprachigkeit, besonders in den vorgestellten Texten, und die Idee, wie man diese übersetzen kann. Daraus resultierten folgende Leitfragen:
• Was geschieht mit den multilingualen Textstellen, wenn man sie übersetzen möchte?
• Kann man Sprache eins zu eins übersetzen?
• Wie soll der Leser mit einem multilingualen Text umgehen?
Zu Beginn führte Prof. Renata Makarska die Termini Vielsprachigkeit, Mischsprachigkeit und textuelle Mehrsprachigkeit ein, die in der Wissenschaft zur Definition mehrsprachiger Texte verwendet werden. Sie hat sich dazu entschieden, den Begriff textuelle Mehrsprachigkeit zu gebrauchen.
Weiter informierte sie uns über die verschiedenen Formen textueller Mehrsprachigkeit, um verständlich zu machen, welche Formen von Multilingualtität in literarischen Texten vorkommen können. Ein Leser, der die verwendete Sprache und dadurch Lehn- oder Fremdwörter oder gar ganze Passagen in einer Buchzeile nicht versteht, wird hier ganz klar vor eine Herausforderung gestellt.
In ihrem ersten Beispiel ging Prof. Makarska auf ein Gedicht von Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki ein, der in einem polnisch-ukrainischen Grenzgebiet zweisprachig aufwuchs und die polnische Sprache zu seiner lyrischen Sprache machte. Er bewahrte familiäre Traditionen bei und verarbeitete diese in Form von sprachlichen Ausdrücken in seinen literarischen Texten. Versucht sich ein Leser an seinen Gedichten, der des Polnischen nicht mächtig ist, fällt es diesem durch die verwendeten Regionalismen schwer, den Sachverhalt zu verstehen. Diese Regionalismen werden von Tkaczyszyn-Dycki auch in den Fußnoten nicht erläutert. Auch bei einer gelungenen Übersetzung können sich so erhebliche Verständnisprobleme ergeben.
Im zweiten Beispiel ging Prof. Makarska auf den tschechischen Poeten Radek Fridrich ein. Fridrich übersetzt seine literarischen Texte oftmals selbst oder veröffentlicht diese gleich in zwei Sprachen. Renata Makarska bezeichnet ihn als einen Gedächtnisträger, der Kindheitserinnerungen in Texten wiedergibt.
Über den dritten Autor, Jan Vrak, berichtete Prof. Makarska, dass dieser Fußnoten in seinen mehrsprachigen Texten verwendet. Vrak spielt mit Begriffen aus der deutschen, polnischen und tschechischen Sprache. Der Autor geht damit auf den Umstand ein, dass Unklarheiten in den Sprachen oft mit Unklarheiten in der Identität einhergehen, da sich jeder Mensch einer Sprache zugehörig fühlt. Was geschieht also mit diesen Identitäten, wenn man in sprachlich heterogenen Gebieten, wie Grenzgebieten aufwächst oder mehrsprachig erzogen wird? Diese Frage stellt Frau Prof. Makarska an uns Studierende. Damit sich alle Identitäten in einem Text zurechtfinden können, wird ihnen durch die Erläuterungen in den Fußnoten geholfen.
Der letzte Autor, den Prof. Makarska in ihrem Vortrag erwähnte, war Szczepan Twardoch. Twardoch spielt ebenso mit dem stilistischen Register und verfasst seine literarischen Texte auf Polnisch. Seinen letzten Roman verfasste er beispielsweise sogar auf Polnisch und Schlesisch. Kritiker verweisen in Bezug auf seine Texte ebenso auf die nicht vorhandenen Fußnoten, die beim Leser ein Gefühl der Fremdheit hinterlassen.
Anhand dieser Textbeispiele wurde uns verdeutlicht, dass das Übersetzen mehrsprachiger Texte eine besondere Herausforderung darstellt. ÜbersetzerInnen beschäftigen sich mit Fragen, wie z.B. „Was passiert mit der Fremdheit? Was mit dem Vielfalt-Effekt? Muss man alles “eindeutschen” oder können Fremdsprachen in einem Text beibehalten werden? Norbert Mecklenburg, gibt zu verstehen, dass man beim Übertragen aus einer Sprache in die andere von einer kulturellen Gewalt sprechen müsse. Diese Tatsache verändere den eigentlichen Sinn des Gesagten.
AutorIn: Anna Ott