„Übersetzer sind als geschäftige Kuppler anzusehen, die uns eine halb verschleierte Schöne als höchst liebenswürdig anpreisen: Sie erregen eine unwiderstehliche Neigung nach dem Original.“
Johann Wolfgang von Goethe, 1826.
Im Fokus des Übersetzungskurses des Projekts „Go East-Go West!“ standen literarische Werke, Zeitungsartikel und Interviews der aus Russland immigrierten AutorInnen in russischer und deutscher Sprache. Die AutorInnen und die dazugehörige Literatur wurden zu Anfang des Kurses anhand einer Präsentation vorgestellt. Zur Auswahl standen u. a. Bücher von Lena Gorelik und Wladimir Kaminer, sowie Kurzgeschichten und Interviews von Tatjana Tolstaja. Alle Materialien, sowie Ausschnitte der vorgeschlagenen Texte, wurden auf Agora hochgeladen, so dass sich jeder mit den Texten vertraut machen konnte und so eine Übersicht über die stilistische und inhaltliche Vielfalt erhielt. Außerdem bekam man dabei die Möglichkeit sich mit der Frage auseinanderzusetzen, aus und in welcher Sprache man übersetzen möchte.
Der Kurs bestand aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Im ersten Teil des Seminars wurden die Studierenden mit der Übersetzungstheorie bekannt gemacht. Dabei wurde auf solche relevanten Aspekte wie Vorgeschichte des Übersetzens, Entstehung des Begriffs Übersetzer, die historische Rolle von Übersetzern, sowie auf das Sprachsystem bezogene Übersetzungstheorien und die Rolle der literarischen Übersetzung eingegangen. Anschließend wurde ein von der Leitung des Kurses vorgeschlagener Text im Seminar gemeinsam übersetzt. Dabei wurde die Herangehensweise an eine Übersetzung geübt und die häufigsten Problematiken veranschaulicht. Mit diesem Schwerpunkt wurde im Wintersemester 2016/17 im Rahmen des Kurses der Text „Arina Rodionovna“ (AutorIn unbekannt) bearbeitet. Es wurde besonders auf die Übersetzung des komplexen Satzbaus der russischen Sprache, sowie der Umgang mit Eigennamen (z. B.: „няня“ – „Kindermädchen“-„Njanja“) eingegangen. Im weiteren Verlauf des theoretischen Teils des Kurses wurden die von professionellen ÜbersetzerInnen bereits übersetzte Texte mit den Originalen verglichen und analysiert. Die nötigen Techniken wurden dabei vertieft und eingeprägt.
Im praktischen Teil des Kurses wurden die von den Studierenden ausgewählten Texte in Gruppen übersetzt und anderen SeminarteilnehmerInnen vorgestellt. Es wurde über Problemstellen und Unklarheiten diskutiert und Verbesserungsvorschläge gegeben. Nach jeder Besprechung wurden von den SeminarteilnehmerInnen schriftliche Feedbacks an die jeweilige Übersetzungsgruppe angefertigt. Mit Hilfe solcher Feedbacks wurden die Übersetzungen überarbeitet und verbessert. An dieser Stelle zwei Beispiele von Übersetzungen vor und nach der Besprechung:
Gorelik, Lena. Meine Weißen Nächte. München, 2008. Ausschnitt aus dem Kapitel 37.
Original: „Meine Mutter geht auf ihn zu, erklärt ihm, dass ich seine neue Schülerin bin, dass ich aber nicht besonders gut Deutsch spreche und deswegen Angst habe. Übersetzung: „Моя мама подходит к нему и объясняет, что я его новая ученица, но что я не очень хорошо говорю по-немецки и поэтому мне страшно. In diesem Fall wird eine direkte Übersetzung ins Russische wortwörtlich verstanden. Daher wird die markierte Phrase als „Sie wird es schaffen!“ übersetzt. Im Kurs wurden auch andere Lösungsmöglichkeiten diskutiert, z. B.: «Не беспокойтесь! Мы справимся!», «Все будет хорошо!». |
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Толстая, Татьяна. Золотая середина. Интервью журналу «Итоги», сборник «Двое» 2001.
Original: „- Как вы относитесь к сегодняшнему состоянию культуры в России? Чем оно, к примеру, отличается от культурной ситуации десятилетней давности, когда вы и другие писатели «Новой волны» оказались на вершине читатальского признания?“ Übersetzung: „- Wie beurteilen Sie den heutigen Zustand der Kultur in Russland? Wie unterscheidet er sich beispielsweise von der der kulturellen Lage vor Jahrzehnten, als Sie und einige andere Schriftsteller der „Nowaja Wolna“, durch die Zugeständnisse der Leser, an der Spitze landeten?“ Hier wird der Eigenname „Новая волна“ („Neue Welle“) nicht übersetzt, sondern wie im Original beibehalten. Es geht hierbei um einen feststehenden Ausdruck, der in der Zielsprache seine Bedeutung verlieren würde. |
Zu den primären Schwierigkeiten beim Übersetzen zählen lexikalische Lücken, semantische Ambivalenzen, divergierende Sprachsysteme, unübersetzbare Idiomatismen, Bilder und Metaphern, metrische Zwänge sowie glossierungsbedürftige Stellen. Oft wird man als ÜbersetzerIn vor die Aufgabe gestellt, feststehende Redewendungen, Eigennamen oder Dialekte in andere Sprachen ohne Verlust von Sinn und Charakter des Textes zu übertragen.
Autorin: Ksenia Kashirina